HR Compliance: integrer Prozess oder integres Personal?
Warum HR Compliance erst konsequent ist, wenn auch die Prozesse von Einstellung und Beförderung über alle Ebenen hinweg standardisiert sind
HR hat im Compliance-Management einer Organisation eine zentrale Rolle, weil von dort Verhaltenskodex, Leitbilder und Anweisungen ausgerollt werden und auch Sanktionsmacht gegen Verhalten, das non-compliant ist, ausgeübt wird. Wichtig also, sich aus Perspektive der Compliance mit einem Kernprozess von HR an sich auseinander zu setzen: Der Einstellung und Beförderung von Menschen in einer Organisation. Denn auch der gesamte Auswahlprozess muss ohne Ausnahme compliant sein.
Compliance in HR – mehr als nur formaljuristisch relevant
Compliance in HR bezieht sich auf regelkonformes Gestalten und Einhalten aller rechtlichen und organisationalen Regelungen, die einen direkten oder indirekten Bezug zu HR-Themen haben. Eine rein juristische Betrachtung, die sich auf die Einhaltung formaljuristischer Aspekte (z.B. Beachtung AGG, Datenschutz, Mitbestimmung, Tarifvertragsrecht, Vertragsrecht in Arbeitsverträgen etc.) bezieht, greift für HR-Compliance allerdings zu kurz.
Denn gerade die vermeintlich „weicheren“ HR-Themen sind anfällig für Non-Compliance: Ist das Beurteilungs- und Bewertungssystem, von dem Gratifikationen und auch Beförderungen abhängen, wirklich compliant?
Wie sieht es aus mit Entscheidungen rund um Einstellung und Beförderung – vom externen Screening und der Vorbewertung von Bewerbenden bis zur internen Beförderung? Gerade in diesen Entscheidungen können viele Vorgänge sehr „flexibel“ ausgelegt werden, wenn es keine verbindlichen Standards gibt, die in allen Prozessen eingehalten werden. Wer kennt nicht die Fälle, wo die Tochter des Betriebsrats oder der Sohn des Vertriebsleiters eine Ausbildungsstelle bekommen – vorbei an den Auswahlprozessen, die für alle anderen Bewerbenden gelten. Von noch größerer Tragweite für die Organisation sind aber Entscheidungsprozesse im mittleren, oberen und Top-Management. Geht da wirklich immer alles mit (ge)rechten Dingen zu, sind die Prozesse objektiv an der Sache und nicht an beteiligten Personen ausgerichtet?
Gerade bei Einzelfallentscheidungen gibt es viel weniger definierte Standards als in Regelprozessen – während die Auswahl von Azubis und Graduates häufig sehr standardisiert und objektiviert ist, sieht das auf Führungsebene häufig anders aus. Das Argument, alleine aufgrund des hohen Bewerberaufkommens bei wiederkehrenden Massenprozessen effizienter sein zu müssen, greift zu kurz und öffnet Regelwidrigkeit die Tür auf Top-Positionen. Vor diesem Hintergrund darf und sollte also gefragt werden:
Reicht es aus, in einem Auswahlprozess die persönliche Integrität der Bewerbenden zu prüfen, oder muss nicht auch der Auswahlprozess an sich integer sein?
Integrität in der Personalauswahl – nicht nur in der betrieblichen Breite ein wichtiges Erfolgskriterium, sondern auch auf Managementebene
Neben Intelligenztests und strukturierten Interviewverfahren haben sich Integritätstests als sehr valide Prädiktoren beruflichen Erfolgs in Wissenschaft und Praxis etabliert. Die schöne Botschaft daran ist: Wer integer handelt, steht sich und der Organisation damit nicht im Wege, sondern ist beruflich erfolgreicher als Menschen, bei denen Integrität nicht zum Selbstkonzept gehört. Ehrlichkeit währt eben immer noch am längsten. In der Personaldiagnostik stehen verschiedene Messkonzepte zur Verfügung, um integre Bewerbende von unintegren zu unterscheiden – sowohl im externen Recruiting als auch bei internen Potenzialanalysen. Neben Integritätstests, die konkret auf das angeforderte Merkmal zielen, haben sich Testverfahren zur Erfassung der dunklen Triade etabliert. Mit diesen Testverfahren erfassen wir die andere Seite, also im Sinne von Integrität und Compliance schadende – man könnte sagen „toxische“ – Merkmale. Daneben helfen auch spezifisch auf Integrität und Compliance ausgerichtete Interviewverfahren, ein Integrity-Assessment zu errichten, das in der Wirkung ein Geschenk für die Organisation und alle in ihr Beschäftigten bietet. Es schützt vor toxischem Führungsstil und unintegren bis korrupten Verhaltensweisen. Denn uninteger ist nicht eine Organisation an sich, sondern ihre Akteure – erst wenn mangelnde Integrität scheinbares Erfolgskriterium einer Organisation geworden ist und dies maßgeblich auch die Auswahl neuen und die Beförderung vorhandenen Personals beeinflusst, wird es irgendwann zu einem organisationsprägenden Merkmal.
Umso wichtiger ist es, frühzeitig dafür zu sorgen, dass Integritätsdiagnostik ein verbindlicher Bestandteil der Personalauswahl nicht nur in der betrieblichen Breite, sondern auch auf Managementebene wird. Das Argument, man könne „so eine“ Diagnostik zwar Auszubildenden und gewerblichen Mitarbeitenden, nicht aber den handverlesenen Spitzenkräften zumuten, ist ignorant und faktisch falsch – gute Diagnostik wichtiger Merkmale ist heute in Verpackungsformen erhältlich, die für alle Zielgruppen angemessen und akzeptabel funktionieren.
HR-Compliance braucht beides: Integritätsdiagnostik und integre HR-Prozesse
Aber reicht es aus, wenn im Rahmen der Personalentscheidungen Testverfahren und spezifische Interviews auf allen Ebenen eingesetzt werden sollen? Sicher, das ist ein großer Fortschritt gerade bei Organisationen, die in dieser Richtung noch nicht klar positioniert sind, und deren Auswahl- und Beförderungsprozesse auf dieser Merkmalsebene „blind“ sind. Ausreichend ist aber selbst das noch nicht, um compliance-konforme HR-Prozesse in der Einstellung und Beförderung zu etablieren. Was nutzt die Verfügbarkeit spezifischer Verfahren, um schädliches Verhalten vor Einstellung oder Beförderung zu erkennen, wenn es nicht verbindlich und flächendeckend angewendet wird?
Der gesamte Prozess muss standardisiert werden, es bedarf klarer Regeln zur Allgemeinverbindlichkeit aller Recruiting- und Beförderungsprozesse für alle Funktionsebenen.
Unternehmen müssen die Prozesse definieren und ihre Einhaltung überprüfen – von der externen Bewerberansprache und Vorauswahl bis hin zur in- oder externen Besetzung von Top-Führungspositionen.
„,Lex specialis’ für Einzelpersonen oder Funktionsgruppen, die von verbindlichen Prozessen ausgenommen werden, um unkompliziert und schnell den Top-Mann oder die Top-Frau auf die schnell zu besetzende Top-Position zu setzen, sind ein Anachronismus aus Zeiten, in denen Vetternwirtschaft nicht nur akzeptiert, sondern auch gewollt war.”
(Andreas Frintrup, CEO HR Diagnostics)
Eine Besetzung – egal ob intern oder extern – ist nur dann HR-compliant, wenn sie sich ausschließlich und verbindlich an der Eignung und Integrität der Person und ihrer Passung zur Vakanz orientiert. (Mikro-)politische oder sonstige Kriterien, die außerhalb dieser Verbindlichkeit stehen, haben mit HR-Compliance nichts zu tun.
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