Internationale Personalauswahl: Deutsche Firmen in Mexiko
Worauf Sie bei Ihren Recruiting-Prozessen und der Personalauswahl in Mexiko achten müssen
Laut deutsch-mexikanischer Industrie- und Handelskammer sind derzeit insgesamt 1.900 deutsche Unternehmen in Mexiko tätig. Die großen Automobilhersteller und zahlreiche Zulieferer haben jüngst neue Produktionsstandorte eröffnet, bestehende Standorte erweitert oder stehen unmittelbar davor. Auch zahlreiche Mittelständler investieren lokal im „German Center“ von Mexiko-Stadt. Dass es dazu einer Vielzahl an Fachkräften bedarf, liegt auf der Hand – wie Sie diese in Mexiko erfolgreich finden und welche Fallstricke Sie dabei beachten müssen, erklären wir hier.
Der Facharbeitermarkt in Mexiko
Die große Herausforderung beim Recruiting in Mexiko liegt darin, Mitarbeiter zu identifizieren, die deutsche Qualitätsstandards einhalten können. Ähnlich dem Recruiting in den USA kann auch in Mexiko nicht auf eine nach deutschen Bildungsstandards qualifizierte Arbeitskräftereserve zugegriffen werden. Um Mitarbeiter auf neue Aufgaben vorzubereiten, sind lokale Qualifizierungsprogramme deshalb unumgänglich.
Um dem Facharbeitermangel sowie dem wenig praxisbezogenen Bildungswesen in Mexiko entgegenzuwirken, gibt es bereits Bestrebungen, duale Ausbildungsangebote zu etablieren. Mit Unterstützung deutscher Bildungsinstitutionen und Ministerien wird seit nunmehr vier Jahren versucht, der klassischen, rein schulisch organisierten Berufsbildung eine praxisnahe Variante mit drei Viertel betrieblichem und nur einem Viertel schulischem Bildungsanteil zur Seite zu stellen. Die Anzahl dieser Auszubildenden im Vergleich zu Besuchern der klassischen Berufsschulen ohne betrieblichen Bildungsanteil ist jedoch noch sehr gering.
Flächendeckende Verbesserungen des Facharbeitermangels werden noch einige Zeit auf sich warten lassen, sodass betriebliche Auswahl und Bildungsinvestitionen unerlässlich bleiben.
Audi als Vorbild für erfolgreiches Recruiting in Mexiko
Audi hat mit der Besetzung des neuen Werks vorgemacht, wie solide Personalauswahl in Mexiko funktioniert. Zuerst wurden alle zu besetzenden Positionen anforderungsanalytisch in Jobcluster kategorisiert, auf deren Basis dann Auswahlverfahren (Fragebogen, Online-Tests, Vor-Ort-Tests, Arbeitsproben, medizinische Begutachtungen) zusammengestellt werden konnten. Die Ergebnisse ermöglichten ein Matching von Personen zu Jobclustern – jedes Talent findet so die richtige Stelle, unabhängig von Vorbildung oder Vorerfahrung. Qualifizierungsinvestitionen erfolgen auf diese Weise sehr zielgerichtet.
Viele Arbeitnehmer in Mexiko können mit den Jobbeschreibungen in Stellenanzeigen wenig verbinden. Es ist daher Aufgabe des Unternehmens, die Bewerber nicht nur auszuwählen, sondern auch hinsichtlich der passenden Joboptionen zu beraten. Der Schlüssel dazu ist Eignungsdiagnostik – und ein Abgleich der individuellen Ressourcen mit beruflichen Anforderungen.
Schnelle, persönliche Kommunikation mit Bewerbern ist unerlässlich
Neben einer effizienten und nicht ausschließlich auf biografische Merkmale gestützten Personalauswahl ist auch die Prozessorganisation ein entscheidender Faktor im Kampf um die Talente: Mexikaner sind ungeduldig – wer nicht schnell reagiert und kommuniziert, geht leer aus. Bewerberkommunikation per Post ist deshalb ein „No-Go“. Das Postsystem ist zu unzuverlässig und die postalischen Kommunikationswege zu lang. Ebenso schwierig gestaltet sich die Kommunikation per E-Mail, denn sie ist in Mexiko zumindest für gewerblich-technische Mitarbeiter kein üblicher Kommunikationskanal. Sicher funktioniert nur eine Kombination aus SMS und E-Mail, denn Handys besitzen die meisten in der mexikanischen Bevölkerung. Aber auch hier müssen lange Kommunikationspausen vermieden werden, denn viele Mexikaner erhalten aufgrund mangelnder Bonität keine dauerhaften Mobilfunkverträge und wechseln mit dem Erwerb neuer Prepaid-Karten auch regelmäßig ihre Telefonnummer.
Ideal ist deshalb ein „One-Stop-Recruiting“: Bewerber sollten unmittelbar nach ihrem Vorstellungstermin mit einer Zusage oder besser noch mit einem Arbeitsvertrag nach Hause gehen. Dafür muss die HR-Abteilung nicht nur die Diagnostik im Griff haben, sondern auch einen ausgefeilten Personalbeschaffungsplan mit der Bewerbungssituation und dem Bewerbermanagement verzahnen.
Viel Überzeugungsarbeit in den HR-Abteilungen vor Ort
Zahlreiche Projekterfahrungen zeigen, dass das mexikanische Sprichwort „Der gute Vorsatz ist ein Gaul, der oft gesattelt, aber selten geritten wird“ gerade auch im Recruiting gilt. Es ist daher eine wichtige wie langwierige Aufgabe, mexikanische Recruiter von wissenschaftlich etablierten Prozessen und Methoden zu überzeugen. Häufig wird neuen Prozessen oberflächlich und euphorisch zugestimmt, praktisch jedoch nichts verändert oder umgesetzt. Deutsche Personalverantwortliche dürfen nicht unterschätzen, wie viel Monitoring, Überzeugungsarbeit und klare Arbeitsanweisungen erforderlich sind, um methodisch saubere Prozesse einzuführen. Lokale Präsenz ist hierbei unerlässlich.
Sicherheit im Recruiting
Eine grundsätzliche Spezialität im mexikanischen Arbeitsmarkt ist das Thema Sicherheit. Topmanager und ihre Familien sind ein begehrtes Ziel von Kidnapping und Erpressung – einer der Gründe, weshalb spezifische Versicherungsangebote gegen Entführungen in Mexiko prosperieren.
Aber nicht nur die Unternehmensführung ist gefährdet – auch auf Recruiter wird bisweilen erheblicher Druck ausgeübt, um in Einstellungsprozessen das gewünschte Ergebnis für sich selbst, Freunde oder Familienangehörige zu erzwingen. Compliance in HR bekommt dabei eine neue Bedeutung.
Lösungen dafür sind eine objektive, von Menschen unbeeinflusste Vorauswahl und teilautomatisierte Auswahlprozesse vor Ort – zum Beispiel computergestützte Testverfahren, Video-Interviews statt Face-to-Face-Gespräche und automatisierte Arbeitsprobenverfahren. Durch eine gewissenhafte Prozess- und Methodengestaltung sowie den Verzicht auf namentliche Nennung – zum Beispiel in Stellenanzeigen oder auf Bewerbungsseiten – lassen sich die Gefahren für Recruiter deutlich reduzieren.
Mexikanisches Arbeitsrecht
Das mexikanische Arbeitsrecht ist sehr arbeitnehmer- und gewerkschaftsfreundlich. Wer in Mexiko rekrutiert, muss sowohl Kollektivarbeitsverträge als auch Einzelarbeitsverträge auf eine sichere Basis stellen, um lokale oder gar bundesweite arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Das mexikanische Bundesarbeitsgesetz „Ley Federal del Trabajo“ gilt in der aktuellen Fassung seit 2013 und umfasst seitdem auch Regelungen zur Arbeitnehmerüberlassung, Probezeit, Gleichstellung und Antidiskriminierung. Während die Regelungen zur Antidiskriminierung mit denen anderer Industriestandorte vergleichbar sind, ist das Recht zur Arbeitnehmerüberlassung außergewöhnlich – wer Leiharbeitnehmer einsetzt, muss dies schlüssig begründen und haftet für die Einhaltung aller arbeits- und sozialrechtlichen Verpflichtungen des Zeitarbeitsunternehmens. Wenn der Verleiher seine Obliegenheiten nicht erfüllt, wird der Arbeitnehmer faktisch als Mitarbeiter des Kunden angesehen – mit allen rechtlichen Konsequenzen. Personalauswahlverfahren sollten in Mexiko deshalb nicht nur für direkt beschäftigte Mitarbeiter, sondern gleichfalls für Leiharbeitnehmer eingesetzt werden, da ein Verbleib im Unternehmen ungewollt sehr langfristig werden kann.
Mexikanische Arbeitsverträge, Probezeit und Kündigung
Arbeitsverhältnisse werden in Mexiko grundsätzlich unbefristet geschlossen; Befristungen sind eine Ausnahme und nur bei dafür typischen Arbeiten zulässig, zum Beispiel bei saison-gebundenen Beschäftigungen. Probezeit kennt man in Mexiko nur für unbefristete oder auf mindestens 180 Tage geschlossene Arbeitsverhältnisse. Ihre Dauer hängt von der Position im Unternehmen ab – die Probezeit bei Führungskräften darf bis zu 180 Tage betragen, die von Mitarbeitern maximal 30 Tage. Damit scheidet die Probezeit als Instrument der Personalauswahl für Nicht-Führungskräfte weitestgehend aus, denn aufgrund des Qualifizierungsbedarfs können Sie nach 30 Tagen nur bei sehr einfach strukturierten Tätigkeiten beurteilen, ob sich ein Bewerber hinreichend bewährt hat und langfristig für die Stelle geeignet ist.
Auch mehrjährige betriebliche Berufsausbildungen nach deutschem Vorbild schaffen keine Abhilfe, denn die Ausbildungszeiträume sind in Mexiko engen Grenzen unterworfen – bis maximal drei Monate für Mitarbeiter und sechs Monate für Führungskräfte. Möchte ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis am Ende von Probe- oder Ausbildungszeit kündigen, ist er nicht völlig frei, sondern muss das Votum einer paritätisch besetzten Kommission einbeziehen. In Mexiko gilt daher ganz besonders: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet“ – der Einsatz solider Personalauswahlverfahren ist unabdingbar.
Tipps für die Personalauswahl in Mexiko
Wir zeigen Ihnen die Do’s and Don’ts für das Recruiting und die Personalauswahl in Mexiko. Diese grobe Orientierung ist nicht vollständig und ersetzt kein ausführliches Beratungsgespräch mit Experten.
Do’s
- Setzen Sie valide Auswahlverfahren ein, um Talente zu entdecken, die andere bisher übersehen haben.
- Nutzen Sie ein effizientes Bewerbermanagement, welches die Kommunikation über SMS ermöglicht.
- Investieren Sie in betriebliche Ausbildung, denn der mexikanische Arbeitsmarkt wird Ihnen keine fertig ausgebildeten Experten bieten.
- Schützen Sie Ihre Recruiter vor Repressalien und Einflussnahme.
- Kontrollieren Sie Ihre lokalen Recruiter engmaschig und machen Sie klare Vorgaben zu Prozess, Methode und Umsetzung.
Don‘ts
- Lassen Sie Bewerber nicht warten.
- Verzichten Sie auf Arbeitnehmerüberlassung.
- Machen Sie sich nicht alleine von vorhandenen Fachkräften abhängig, sondern bilden Sie die Mitarbeiter selbst aus und weiter.
- Verzichten Sie vor Ort nicht auf arbeitsrechtlichen Rat zu Probezeit, Befristung und Ausbildung.
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