Internationale Personalauswahl: Deutsche Firmen in den USA
Was Sie bei Ihren Recruiting-Prozessen in den Vereinigten Staaten beachten müssen
Deutsche Unternehmen beschäftigen in den USA rund 750.000 Mitarbeiter – dabei ist der deutsche Mittelstand genauso vertreten wie große Unternehmen und Konzerne. Das Recruiting in den USA stellt Unternehmen jedoch vor besondere Herausforderungen. Damit der unternehmerische Schritt über den Atlantik und die Personalauswahl vor Ort erfolgreich ist, sollten Sie die entsprechenden Rahmenbedingungen kennen und einhalten.
Herausforderung 1: Das gänzlich anders organisierte Bildungs- und Ausbildungssystem in den USA
Verschiedene Schulformen mit unterschiedlichen Bildungsansprüchen, wie wir sie in Deutschland gewöhnt sind, gibt es in den USA nicht. Auch berufliche Qualifikationen und formale Fähigkeitsnachweise analog des deutschen dualen Systems sind dort weitestgehend unbekannt.
Die breite Berufsbildung erfolgt in den USA „on the job“ – sie ist viel weniger formalisiert und entspricht keiner überbetrieblich relevanten Ausbildung.
Konkret bedeutet das: Arbeitnehmer erlernen spezifisch für eine Tätigkeit unternehmenseigene Kenntnisse und Fähigkeiten. Somit sagen biografische Angaben von US-amerikanischen Bewerbern über vergangene Berufserfahrung wenig über eine Eignung auf Positionen aus, die nicht exakt der bisherigen Beschäftigung entsprechen. Arbeitgeber benötigen umfangreiche Eignungsfeststellungen, um qualifizierte Kandidaten aus einer qualitativ weitgehend unbeschriebenen Bewerberstichprobe auszuwählen. Der Einsatz überfachlicher, psychologischer Testverfahren in den USA deshalb deutlich stärker verbreitet als in Deutschland, wo viele der relevanten Informationen teilweise über formale Bildungsabschlüsse dokumentiert werden.
Herausforderung 2: Rechtliche Regelungen der Antidiskriminierung in der Personalauswahl
In den USA gelten verschiedene Regelwerke, die die Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen vermeiden sollen. Besonders geschützt sind dabei Minoritätsgruppen. Die Schutzvorschriften gründen teilweise auf dem Ausgleich historischer Schlechtbehandlung einzelner Gruppen – wie zum Beispiel der Native Americans (Indians) oder der durch Sklaverei ausgebeuteten Black/African Americans. Daneben werden aber auch Behinderte, Hispanic/Latinos, Schwangere, die religiöse Orientierung, das Geschlecht und Alter besonders vor Benachteiligung und Diskriminierung geschützt. In verschiedenen Bundesstaaten gelten erweiterte Regelungen, zum Beispiel hinsichtlich sexueller Orientierung.
Unternehmen müssen also nicht nur intern Diversity bei der Personalauswahl berücksichtigen, sondern zusätzlich die jeweils lokalen Arbeitsmarktbedingungen einbeziehen – und die können für Unternehmen, die in mehreren Bundesstaaten arbeiten, lokal sehr unterschiedlich sein.
Die Regelungen sind deshalb je Standort umzusetzen und zu dokumentieren. Die Anforderungen an das Berichtswesen und lückenlose Dokumentation sind akribisch und erfordern in der Regel sachkundigen Rat bei der Installation und Umsetzung.
Das Regelwerk zur Antidiskriminierung in der Personalauswahl in den USA dient nicht nur dazu, Diskriminierungen zu vermeiden, sondern sie auch durch „positive Diskriminierung“ aktiv auszugleichen. Das Office of Federal Contract Compliance Programs (OFCCP) kontrolliert die Einhaltung der Regeln und Maßnahmen bei US-amerikanischen Arbeitgebern. Bei Verstößen drohen hohe Unternehmen Bußgeld- oder Entschädigungsstrafen.
Wie sich US-amerikanische Regelwerke auf psychologische Auswahlverfahren auswirken
Die Gestaltung psychologischer Auswahlverfahren in den USA orientiert sich an den genannten Regelwerken und erfordert daher ein Höchstmaß an Dokumentation. „Adverse Impact“ ist, was amerikanische Unternehmen hierbei fürchten: Es bezeichnet das Ausmaß der faktischen Diskriminierung von zu schützenden Gruppen durch Personalauswahlverfahren, selbst wenn das gar nicht beabsichtigt war. Als Indikator gilt eine 80-Prozent-Quote: Das heißt beispielsweise, dass ein Arbeitgeber bei insgesamt 100 Vakanzen und 100 Bewerbern, von denen 40 Kandidaten unter den Schutz des Antidiskriminierungsgesetzes fallen, 32 von ihnen einstellen muss. Für diese Einhaltung ist ein enges Monitoring des durch Personalauswahl verursachten Impacts zwingend erforderlich. Bewerbermanagementsysteme, die in den USA eingesetzt werden, müssen deshalb über entsprechende Erhebungs- und Reportingsysteme verfügen.
Die Haftung für Adverse Impact liegt immer beim Unternehmen, das Personalauswahlverfahren einsetzt. Entsprechend vorsichtig müssen Arbeitgeber bei der Gestaltung von Recruiting-Prozessen sein, genauso bei der Auswahl von Testanbietern.
Letztere sollten profunde Kenntnisse der US-Regulations und Rechtsprechung haben und in der Lage sein, unternehmensspezifische Verfahren, Normierungen und Adverse-Impact-Berichte umzusetzen.
In der täglichen Recruiting-Praxis ist ebenfalls Vorsicht geboten: Der gesamte Auswahlprozess, also alle darin enthaltenen Testverfahren und Assessments müssen anforderungsbezogen, strukturiert und standardisiert sein. Das heißt konkret,
- dass Testverfahren nur berufsrelevante Daten erheben dürfen,
- dass allen Bewerbern dieselben Fragen gestellt werden müssen,
- und dass die Auswertung auf zuvor definierten Bewertungsankern für die Antworten und Regeln für die Entscheidungsfindung beruhen muss.
Die längsschnittliche Speicherung dieser Daten ist in den USA nicht nur rechtlich möglich, sondern dringend empfohlen.
Ein ausführliches Background-Screening zählt zur Sorgfaltspflicht
Zusätzlich zu psychologischen Auswahlverfahren dient ein Background-Screening Recruitern in den USA dazu, ungeeignete Bewerber von vornherein auszuschließen. Hilfreiche Daten finden sie dabei in historischen Informationen der Bewerber. Wo in Deutschland sofort der Datenschutz greift, können Arbeitgeber in den USA gegen ein geringes Entgelt Zugang zu Datenbanken von Background-Check-Anbietern erhalten. Unter anderem werden dann personenbezogene Daten wie Vorstrafen, Vergehen im Straßenverkehr, Finanz- und Schuldenstatus, vorherige Wohnsitze und Arbeitgeber, Terrorverdacht bis hin zu Sexualstraftaten und Kindesmissbrauch weitergegeben. Fast alle diese Daten sind für einen sogenannten Pre-Employment-Check unter zuvor erfolgter Zustimmung des Bewerbers abrufbar.
In gewissen Fällen kann der Verzicht auf diese Datenquelle seitens des Arbeitgebers sogar als Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten ausgelegt werden: Das betrifft beispielsweise LKW- oder Busfahrer, bei denen vergangene Drogendelikte und Fälle von Trunkenheit am Steuer geprüft werden müssen. In den USA empfiehlt sich also allein aus Haftungsgründen die Prüfung des Hintergrunds Ihrer Bewerber.
Tipps für die Personalauswahl in den USA
Wir zeigen Ihnen 5 Do’s and Don’ts für das Recruiting und die Personalauswahl in den USA. Diese grobe Orientierung ist nicht vollständig und ersetzt kein ausführliches Beratungsgespräch mit Experten.
Do´s
- Führen Sie standardisierte Anforderungsanalysen unter Expertenbegleitung durch.
- Dokumentieren Sie bereits die Anforderungsanalysen lückenlos.
- Setzen Sie ausschließlich passgenaue und valide Auswahlmethoden ein.
- Führen Sie ein aktives Adverse-Impact-Monitoring ein.
- Dokumentieren Sie alle Personalentscheidungen – egal ob extern oder intern – detailliert und längsschnittlich.
Don´ts
- Treffen Sie niemals Personalentscheidungen, ohne sicher zu sein, dass sie mit dem Regelwerk der US-Antidiskriminierung „compliant“ sind.
- Setzen Sie keine „one-fits-all Auswahlverfahren“ ein – sie müssen stets hohen Anforderungsbezug haben.
- Verzichten Sie nicht auf den Rat von juristischen und eignungsdiagnostischen Experten bei der Gestaltung von Prozessen, Dokumentationen und Auswahlverfahren in den USA
- Seien Sie sorgfältig in der Definition interner und regelkonformer Policies und Prozesse – beachten Sie hierbei federal und state laws.
- Verzichten Sie für die Auswahlentscheidung soweit wie möglich auf demographische und biographische Angaben in Fragebögen – setzen Sie stattdessen auf Testverfahren, Arbeitsproben, standardisierte Interviews und Background-Checks.
Recruiting und Personalauswahl in den USA ist zweifellos spannend, birgt aber auch einige Hürden. Unternehmen, die erstmalig den Schritt über den Atlantik wagen, sollten sich durch juristischen und fachpsychologischen Rat sowie marktkonforme Lösungen begleiten lassen oder sich bei der Einstellung lokaler HR-Verantwortlicher vergewissern, dass sie die Spielregeln beherrschen.
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