Was Recruiter nach dem Einsatz psychologischer Testverfahren erwartet, ist idealerweise eine Vielzahl von Testergebnissen. Dann ist besonders wichtig, dass die Ergebnisse im Schnelldurchlauf interpretiert werden können. Da die Tests auf den spezifischen Anforderungsprofilen basieren, sind alle erfassten Werte für die zu besetzende Stelle grundsätzlich relevant. Wir erklären, wie Sie bei der Ergebnisinterpretation effizient vorgehen.
Mittelwert, Standardabweichung und Standardnormalverteilung: Vergleichbarkeit von Ergebnissen in der Testinterpretation schaffen
Um bewerten zu können, wie gut eine Person in einem Test abgeschnitten hat, braucht es einen Vergleich. Was 26 von 50 möglichen Punkten in einem Test bedeuten, ist per se schwer einzuschätzen, denn möglicherweise war der Test besonders leicht oder schwer. Ein Testergebnis kann immer nur im Vergleich zu einer Referenzgruppe eingeordnet werden, also zu den Testergebnissen anderer Personen im gleichen Test. Die erste Aufmerksamkeit gilt dem Mittelwert. Liegt dieser beispielsweise bei 20, schneidet ein Kandidat mit 26 Punkten überdurchschnittlich gut ab – liegt der Mittelwert aber bei 40, hat er ein unterdurchschnittliches Testergebnis.
Wie sich die Ergebnisse rund um diesen Mittelwert verteilen, zeigt die Standardabweichung. Gibt es viele gute und schlechte Testergebnisse (breite Streuung), ist der Kandidat aus dem zweiten Beispiel im Vergleich besser einzuschätzen. Er schneidet aber im Vergleich schlechter ab, wenn die erreichten Punkte der Referenzgruppe zwischen 26 und 34 liegen, die Streuung also gering ist: 26 Punkte wären dann das schlechteste Ergebnis. Die Standardabweichung konkretisiert also, wo genau ein Kandidat innerhalb der Referenzgruppe zu verorten ist. Werden Mittelwert und Standardabweichung integriert, erhält man die Standardnormalverteilung, die sich in der sogenannten Z-Skala abbilden lässt. Die Wertebereiche der Z-Skala zeigen an, wie unterdurchschnittlich, durchschnittlich oder überdurchschnittlich ein Ergebnis ist.
Die wichtigsten Parameter für die Blitz-Interpretation
- Gesamtwert (Z-Wert): Der Gesamtwert eines Testergebnisses setzt sich aus den individuell gewichteten Einzelwerten (Merkmalen) zusammen, die erhoben wurden. Anhand des Gesamtwerts und seiner jeweiligen Farbcodierung können Sie auf einen Blick erkennen, ob sich jemand eher im grünen, gelben oder roten Bereich bewegt – wie gut er also grundsätzlich zum Anforderungsprofil passt, das Sie vorab definiert haben.
- Prozentrang (PR): Der Prozentrang verdeutlicht ergänzend zum Gesamtwert, wie viele der Teilnehmer besser beziehungsweise schlechter abgeschnitten haben als der betrachtete Kandidat. Ein Prozentrang von 30 zeigt an, dass 30% der Getesteten schlechter abgeschnitten haben – entsprechend erzielten 70% ein höheres Ergebnis. Je höher der Prozentrang, desto besser schneidet ein Kandidat innerhalb der Vergleichsgruppe ab.
- Einzeldimensionen: Einzeldimensionen sind jene berufsrelevanten Merkmale, die im Rahmen des Tests erfasst wurden. Sie ergeben sich aus einer vorangegangenen Anforderungsanalyse, die die Testzusammenstellung bestimmt. Je wichtiger ein Merkmal für eine Stelle ist, desto stärker wird die Dimension gewichtet – sie beeinflusst somit den Gesamtwert des Tests. Analog zum Gesamtwert erhalten Sie auch für die Einzeldimensionen jeweils den erreichten Z-Wert und Prozentrang des Kandidaten. So lesen Sie beispielsweise ab, wie motiviert oder kreativ ein Kandidat ist.
Über verschiedene Wege zum gleichen Ergebnis – welcher Kandidat ist nun der richtige?
Sich die Ergebnisse der Einzeldimensionen näher anzuschauen, ist vor allem dann notwendig, wenn der Gesamtwert nicht für einen Vergleich der Kandidaten ausreicht. In Abbildung 1 und 2 haben zwei Kandidaten im Test denselben Gesamtwert von 103 erreicht. Doch welcher Kandidat passt nun besser zur Stelle?
So gehen Sie in der Blitz-Interpretation vor
Betrachten Sie die Stärken und Schwächen der Kandidaten und prüfen Sie, wie weit über oder unter dem Durchschnitt das jeweilige Ergebnis liegt.
Im Beispiel hat Kandidat A eine sehr geringe Ausprägung bei beruflicher Integrität (Z=73). Nahezu alle anderen Kandidaten sind integrer als A (aufgrund der Rundung wird als Prozentrang 0 angezeigt). Weil berufliche Integrität ein erfolgskritisches Merkmal ist und eine solch geringe Ausprägung Gefahren für das Unternehmen birgt, wäre davon abzuraten diesen Kandidaten einzuladen.
Prüfen Sie, was eine Schwäche für die jeweilige Stelle bedeutet.
Kandidat B ist beispielsweise nur unterdurchschnittlich sozial kompetent. Sein Z-Wert von 89 zeigt an, dass es innerhalb seiner Vergleichsgruppe nur 13% anderer Personen gibt, die über eine noch geringere soziale Kompetenz verfügen. Da Kandidat B sich für einen gewerblichen Beruf beworben hat und in den anderen Bereichen weitestgehend den Anforderungen entspricht, ist ein Kennenlernen zu empfehlen. In der persönlichen Interaktion, beispielsweise im Interview vor Ort, werden Sie schnell feststellen, ob die individuelle soziale Kompetenz für die Zielposition ausreichend ist.
Fragen Sie sich, ob die Schwäche durch eine Stärke kompensierbar ist. Generell gilt dabei: Je allgemeiner ein Merkmal, desto schwieriger ist es zu kompensieren.
Scheidet ein Teilnehmer in der gewerblichen Arbeitsprobe insgesamt schlecht ab, ist das problematischer als ein schlechtes Abschneiden in einer einzelnen Dimension wie zum Beispiel Rechnen oder Räumliches Vorstellungsvermögen. Und auch das oft diskutierte Kompensieren von Leistungsdefiziten durch eine hohe Motivation stößt mit zunehmender Komplexität der Aufgaben irgendwann an seine natürliche Grenze, ab der man den Arbeitsaufgaben nicht mehr gewachsen ist.
Fazit: Sie können ein Testergebnis zwar in zwei Minuten interpretieren, die finale Personalentscheidung bedarf allerdings mehr Zeit.
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