Internationale Personalauswahl: Deutsche Firmen in China
Worauf Sie bei Ihren Recruiting-Prozessen und der Personalauswahl in China achten müssen
Im bevölkerungsreichsten Land der Welt mag das Recruiting als eine der leichtesten Übungen erscheinen – dem ist allerdings nicht so. Kulturelle Unterschiede, aber auch andere Verhaltensweisen bringen andersartige Recruiting-Prozesse mit sich. Die internationale Personalauswahl in China folgt anderen Regeln als in Deutschland – Wir erklären Ihnen, was Sie als deutsches Unternehmen bei der Bewerberauswahl im Reich der Mitte beachten müssen.
Das chinesische Arbeitsrecht
Ähnlich wie im Recruiting in den USA gibt es in China Gesetze zur Antidiskriminierung in der Personalauswahl. Unzulässig sind Diskriminierungen bezüglich Ethnizität, Rasse, Geschlecht, Religion und körperlichen Einschränkungen. Anders aber als in den Vereinigten Staaten sind Alter und sexuelle Orientierung nicht gegen Diskriminierung geschützt. In China hängt die Dauer der Probezeit von der Laufzeit des Arbeitsvertrags ab, der immer schriftlich auszuhändigen ist. So beläuft sich die Probezeit bei einer mindestens dreijährigen oder gar unbefristeten Tätigkeit auf maximal sechs Monate. In dieser Zeit kann arbeitnehmerseitig innerhalb von drei Tagen gekündigt werden, danach beträgt die Kündigungsfrist 30 Tage. Während der Arbeitnehmer unbegründet kündigen kann, erfolgt die Kündigung auf Arbeitgeberseite immer mit sachlichem Grund – wie beispielsweise mangelnder Eignung oder Sitzverlagerung. Wie in Deutschland gilt in China eine Fünf-Tage-Woche mit maximal 40 Wochenarbeitsstunden. Allerdings ist die Bestimmung der Arbeitstage dem Arbeitgeber frei überlassen – auch wenn sich Samstag und Sonntag als Wochenende etabliert haben, ist das gesetzlich nicht vorgeschrieben und kann betrieblich anders gehandhabt werden.
Zwischen chinesischem Heimvorteil und deutschem Qualitätsversprechen
Ein deutsches Unternehmen in China konkurriert nicht bloß mit anderen deutschen, sondern auch mit weiteren ausländischen Firmen. Nicht zu unterschätzen ist aber vor allem der Heimvorteil, den chinesische Unternehmen ihren Mitarbeitern bieten können. Das liegt insbesondere in derselben Kultur begründet: Mitarbeiter fühlen sich in chinesischen Firmen häufig besser verstanden. Das ist einerseits bedingt durch die einfache Führung unter lokaler Kultur, andererseits aber auch durch dieselbe Sprache. In rein chinesischen Firmen fällt die Komplexität mit doppelten Führungsstrukturen durch die Joint-Venture-Partner weg, was auch für die Mitarbeiter vieles einfacher macht. Kulturell bleibt den Deutschen das Phänomen des sogenannten „Guanxi“ oft unbegreiflich. Guanxi ist ein wechselseitiges Netzwerk aus Beziehungen und Verpflichtungen – hierzulande würde man salopp von einer „Gefälligkeitskultur“ sprechen, was angesichts der kulturell tiefgreifenden, auf Reziprozität beruhenden Grundlagen jedoch zu kurz greift. Für die Personalarbeit und speziell das Recruiting in China ist es wichtig, Guanxi zu verstehen: Immer dann, wenn Empfehlungen für neue Mitarbeiter ausgesprochen werden, hat das nicht zwangsweise etwas mit deren Eignung, sondern häufig mit der Verpflichtung, behilflich zu sein, zu tun. Chinesische Mitarbeiter erwarten häufig auch eine familienähnliche Verantwortung des Arbeitgebers und direkten Chefs für seine Mitarbeiter. Es handelt sich bei Arbeitsverhältnissen also nicht um reine Austauschgeschäfte im Sinne von Zeit und Leistung gegen Geld, sondern auch hier um eine besondere Form der Beziehung. Deutsche Unternehmen genießen generell einen guten Ruf. Die Tatsache, dass sie in ihre Mitarbeiter investieren, macht sie so attraktiv: Personalentwicklung durch Aus- und Weiterbildung bindet zudem den chinesischen Arbeitnehmer an den deutschen Arbeitgeber.
Wunsch und Wirklichkeit in der chinesischen Personalauswahl: Hochqualifizierten Akademikern fehlt häufig der Praxisbezug
Mit fast 1,4 Milliarden Menschen ist China das bevölkerungsreichste Land der Welt – und bietet somit ein enormes Potenzial an Arbeitskräften. Auch das weiterentwickelte Bildungssystem und jährlich über sieben Millionen Hochschulabsolventen lassen auf hochqualifizierte Bewerber hoffen. Die Wirklichkeit im Recruiting sieht aber anders aus: Trotz des hohen Bildungsniveaus und des riesigen chinesischen Arbeitsmarkts sind geeignete Fach- und Führungskräfte mit Passung auf westliche Einstellkriterien schwer zu finden. Häufig fehlt Akademikern der notwendige Praxisbezug – die theoretische Ausbildung indes ist vielfach hervorragend.
Früh umwerben lohnt sich: Jungen Akademikern durch Praxis entscheiden helfen
Nicht jedes deutsche Unternehmen ist Chinesen bekannt. Ein möglicher Weg, fachlich passendes Personal anzuwerben, beginnt in den Universitäten und Hochschulen. Besonders zu empfehlen ist der Beginn des Studienjahres – Anfang September. Es lohnt sich, wenn Sie Ihr Unternehmen den chinesischen Akademikern vorstellen und ihnen Praktikumsplätze bieten, sodass sie relevante Praxiserfahrung bei Ihnen sammeln können. Absolvieren potenzielle Bewerber Praktika, ist es für Personaler wichtig geschaffene Beziehungen zu nutzen, um so Weiterempfehlungen zu generieren. So werden internationale Unternehmen lokal als Arbeitgeber sichtbarer und attraktiver.
Digitales Recruiting ist in China nicht bloß erwünscht, sondern erforderlich
Auf dem enormen chinesischen Arbeitsmarkt sind digitale Recruiting-Prozesse unabdingbar. Auf digitalem Weg lassen sich kurzfristig am meisten Menschen erreichen. Wie effizient die Stellenanzeige ist, hängt allerdings vom Online-Portal und seinem Image ab. Die mit Abstand wichtigsten chinesischen Online-Jobbörsen sind 51job.com, zhaopin.com und chinahr.com. Werden chinesische Mitarbeiter gesucht, die bereits Arbeitserfahrung in Deutschland gesammelt haben, nutzen Unternehmen für die internationale Personalauswahl häufig die Jobmarket-Plattform der Auslandshandelskammer (china.ahk.de) in China.
Um berufserfahrenes Personal zu rekrutieren, bieten sich auch ganz neue Möglichkeiten: In China gehen Recruiter mit Microblogs oder auch Messaging-Apps neue, effektive Wege. Microblogs sind selbst dann profitabel, wenn Menschen nicht auf der Jobsuche sind. Denn gefällt Followern, was sie sehen, empfehlen sie interessante Accounts in ihrem Netzwerk weiter. Wer auf diesen Diensten nicht aufzufinden ist, wird als potenzieller Arbeitgeber in China schlichtweg nicht ernst genommen.
Unternehmen müssen für die Personalauswahl reale Anforderungen konkret formulieren
In China spielt man mit offenen Karten. Die Formulierung der Anforderungsprofile nimmt dabei eine wesentliche Rolle ein. Generell gilt: Im Profil steht das, womit ein Bewerber in der Realität auch rechnen kann. Das bedeutet, dass ein realistisches Bild vom Beruf gezeichnet wird und die Aufgaben und Aufstiegschancen eines Bewerbers ganz konkret benannt werden. Nur durch ein solches Anforderungsprofil finden Unternehmen den Bewerber, der am besten zu der zu besetzenden Stelle passt, und beide Seiten sind langfristig am zufriedensten.
In China ist das Prüfen von Lebensläufen unabdingbar: Vorsicht, frisiert!
Geschönte Lebensläufe gibt es überall – in China aber besonders viele. Schätzungsweise 70 % der Bewerbungen enthalten gefälschte Unterlagen. Für eine verlässliche Eignungsprognose reicht die Biografie des Kandidaten bei weitem nicht aus. Die Lösung ist aber vergleichsweise einfach: Testen Sie Fähigkeiten. Sind konkrete Fähigkeiten erforderlich, wie das Beherrschen eines Programms, können diese webbasiert überprüft werden. Solche Tests helfen, unnötige Einarbeitungskosten zu sparen.
Neben dem Testen von relevanten Fähigkeiten empfiehlt es sich außerdem, fachliche wie auch überfachliche Kompetenzen und Persönlichkeitsmerkmale in Testverfahren zu erfassen. In China ist das zweistufige Testverfahren weit verbreitet: Kandidaten bewerben sich online und bearbeiten einen Test, bevor sie vor Ort eingeladen werden. Dort werden sie erneut getestet und durchlaufen ein Einzel-Assessment mit Interview und Arbeitsprobe.
Warum Einzeldiagnostik und eine schnelle Entscheidung in der chinesischen Kultur von Bedeutung sind
Kulturell bedingt sind Gruppen-Assessments in China ein No-Go. Zum einen lässt sich die erforderliche soziale Offenheit in einer Situation wie eine Gruppendiskussion nicht herstellen, zum anderen droht den Bewerbern der Gesichtsverlust. Personaler sollten in der internationalen Personalauswahl deshalb Einzeldiagnostik vorziehen und die Verfahren an die Kultur angepasst gestalten. Das betrifft auch und gerade den Interviewleitfaden: Sind die Verfahren stark strukturiert und wird der Prozess gut dokumentiert, ist sichergestellt, dass wirklich eignungsbasiert ausgewählt und eingestellt wird.
Nicht nur im Vor-Ort-Test sollten deutsche Unternehmen den Auswahlprozess kulturell bedingt umstrukturieren. Die Entscheidung für oder gegen einen Bewerber sollte direkt im Anschluss des Bewerbungsgesprächs getroffen werden, weil Chinesen mehr als zwei Vor-Ort-Termine als persönliches Versagen werten. Aber Achtung: Erwarten Sie nicht, dass der Kandidat den Vertrag direkt vor Ort unterschreibt. Chinesen beraten gerne mit Freunden und Familie über die finale Entscheidung. Die Entscheidungsmacht der Eltern in China ist nicht zu unterschätzen: So kann es auch vorkommen, dass fürsorgliche Eltern im Land der ehemaligen Ein-Kind-Politik auf Messen für ihre Kinder Unternehmen prüfen, die sie für geeignet halten. Stellvertretend für ihre Kinder überreichen sie dann die Bewerbung an ein für sie attraktiv erscheinendes Unternehmen.
Tipps für die Personalauswahl in China
Wir zeigen Ihnen die Do’s and Don’ts für das Recruiting und die Personalauswahl in China. Diese grobe Orientierung ist nicht vollständig und ersetzt kein ausführliches Beratungsgespräch mit Experten.
Do’s
- Gestalten Sie die Karriere-Website des Unternehmens nicht nur auf Englisch, sondern auch auf Chinesisch/Mandarin. Denn so können auch Eltern der Bewerber diese lesen und Vertrauen fassen.
- Prüfen Sie alle angegebenen Qualifikationen und Erfahrungen durch Tests und Arbeitsproben.
- Seien Sie schnell in Ihrer Entscheidungsfindung, planen Sie keinesfalls mehr als zwei Vor-Ort-Termine für einen Bewerbungsvorgang.
- Nutzen Sie im Recruiting neue Medien.
Don‘ts
- Vertrauen Sie nicht darauf, dass Ihre in Deutschland populäre Marke auch im chinesischen Arbeitsmarkt eine gleiche Attraktionswirkung besitzt.
- Vertrauen Sie keinem Zeugnis und keiner behaupteten Berufserfahrung – circa 70 Prozent der Angaben entsprechen in China nicht der ganzen Wahrheit.
- Setzen Sie keine Gruppen-Assessments zur Auswahl ein, sondern Tests und Einzel-Assessments mit strukturierten Interviews und Arbeitsproben.
- Brechen Sie keine Versprechen über Jobinhalte und Karriereoptionen, die Sie im Vorstellungsgespräch gegeben haben.
Für Mitarbeiter ist der Einstieg in den neuen Beruf ein wichtiger Bestandteil, der das weitere Arbeitsverhältnis beeinflusst. Gerade deshalb sollten sich international agierende Unternehmen von erfahrenen HR-Profis unterstützen lassen, die nachweisen können, dass sie in China bereits erfolgreich rekrutiert haben.
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