Arbeitsproben sind die tätigkeitsnächste Diagnosemethode und daher besonders prognosestark. Sie zeigen dem Arbeitgeber das aktuelle Fähigkeitsniveau einer Person und machen den Teilnehmern gleichzeitig deutlich, welche Anforderungen die zukünftige Tätigkeit an sie stellen wird. Arbeitsproben unterstützen zudem die sogenannte „Selbstselektion“: Bewerber können besser einschätzen, ob sie den beruflichen Anforderungen gewachsen sind oder sich unter- bzw. überfordert fühlen werden – und ob ihnen die Tätigkeit dauerhaft Freude bereiten wird. Warum tätigkeitsnahe Arbeitsproben über diagnostischen Erfolg bestimmen, erfahren Sie hier.
Tätigkeitsnahe Arbeitsproben: Kontextuelle und zeitliche Unterschiede
Eine Arbeitsprobe ist ein realistischer Auszug einer beruflichen Tätigkeit, die von Bewerbern unter laborähnlichen Bedingungen ausgeführt wird. Während der Aufgabe werden Bewerber beobachtet, damit Personalverantwortliche eine Aussage über die berufliche Eignung und aktuelle Befähigung treffen können. Gleichzeitig erleben Bewerber unmittelbar, welche Anforderungen künftig an sie gestellt werden. Arbeitsproben im engeren und weiteren Sinn unterscheiden sich durch Realitätsbezug, Tätigkeitsnähe und Dauer.
Im engeren Sinn simulieren Arbeitsproben einen bestimmten Ausschnitt aus dem zukünftigen Arbeitsbereich und geben so eine kleine Tätigkeitsvorschau. Die Aufgabe wird unter laborartigen Verhältnissen, beispielsweise in einem Testcenter absolviert. Ziel ist es, Fähigkeiten und Eignung fokussiert und tätigkeitsnah zu erheben.
Von der Arbeitsprobe zu unterscheiden sind Probearbeit, Probezeit und körperliche Fitnesstests. Bei der Probearbeit arbeiten Bewerber direkt im Betrieb mit – an realen Aufgaben mit realen Arbeitsmitteln. Der dadurch tiefere Einblick in die Tätigkeit zeigt berufliche Anforderungen noch wirklichkeitsgemäßer. Allerdings ist der Aufwand sehr hoch und kann nur gut vorausgewählten Bewerbern ermöglicht werden. Im weiteren Verständnis ist auch die Probezeit eine Art von Arbeitsprobe: Als zeitlich verlängerte Probearbeit werden Bewerber nach der Einstellung mit realen Aufgaben des Arbeitsalltags konfrontiert und arbeiten aktiv mit. Erweist sich der eingestellte Kandidat im Zeitverlauf als ungeeignet, kann das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit gelöst werden. Körperliche und sportliche Tests zur Feststellung der Leistungsfähigkeit sind Arbeitsproben im breitesten Sinne, die eine hohe Berufserfolgsrelevanz aufweisen: Reale Arbeitsvollzüge und Belastungen werden in standardisierte Sportaufgaben übersetzt und überprüft. So werden in einem gefahrlosen Setting geeignete Kandidaten ermittelt – beispielsweise für Feuerwehr und Polizei.
High Fidelity vs. Low Fidelity – konkret vs. abstrakt
Innerhalb eines Auswahlprozesses können High- oder Low-Fidelity-Aufgaben gestellt werden. „Fidelity“ bedeutet die Nähe von getesteten zu tatsächlich in der Arbeitswelt geforderten Anforderungen.
Wird beispielsweise eine Büro-Assistenz gesucht, können Kandidaten aufgefordert werden, einen Brief zu formulieren und die Serienbrieffunktion einer Office-Software darauf anzuwenden. Die Bewertung erfolgt dann an vordefinierten Leistungskriterien. Handwerkliches Können eines Elektrikers kann bei Niedrigspannung durch Messungen oder Verdrahten von Schaltungen unter Beweis gestellt werden. Die Aufgaben werden eindeutig gestellt und haben einen konkreten Bezug zur späteren Tätigkeit. Die korrekte Ausführung einschließlich des Verständnisses der Instruktionen lässt sich standardisiert, fair und leistungsgerecht bewerten. So prüfen High-Fidelity-Aufgaben konkrete Fähigkeiten, die zur Bewältigung des beruflichen Alltags erforderlich sind. Wenn in einer Aufgabe viel Kontext zum Arbeitsalltag erscheint, ist damit ein hohes Maß an Fidelity vorhanden.
Low-Fidelity-Aufgaben hingegen sind etwas abstraktere Abbildungen, deren Bezug zur relevanten Aufgabe vorhanden, aber nicht unmittelbar ist. Insbesondere bei sehr komplexen Tätigkeiten bieten sich diese abstrakteren Low-Fidelity-Umsetzungen an, zum Beispiel wenn es um die Auswahl von Führungskräften geht. Mithilfe von Aufgaben wie Rollenspielen zu kritischen Führungssituationen oder situative Fragen im Multimodalen Interview können berufsrelevante Fähigkeiten erkundet werden, ohne dass die konkrete Arbeitsaufgabe ausgeführt wird.
Arbeitsproben entwickeln und beurteilen
Generell kann für nahezu jeden Beruf eine Arbeitsprobe im engeren Sinn entwickelt werden. Die Qualitätsansprüche an Arbeitsproben unterscheiden sich nicht von anderen Instrumenten der Personaldiagnostik: Arbeitsproben weisen einen Anforderungsbezug auf, sie sind praxisnah, psychometrisch sauber konstruiert, erprobt, normiert und validiert, effizient sowie fair. Die Entwicklung von Arbeitsproben ist eine anspruchsvolle Teildisziplin der personalpsychologischen Test- und Methodenentwicklung. Ausgangspunkt einer Entwicklung bildet die Frage nach den konkreten Anforderungen: Wofür soll Eignung vorliegen, woran lässt sie sich messen und wie kann sie beurteilt werden?
Warum Arbeitsproben in jede Personalauswahl gehören
Arbeitsproben sind ebenso gut für Unternehmen wie auch für Kandidaten selbst. Während Unternehmen ihre Kandidaten auf deren Eignung für eine Stelle prüfen, erfahren Bewerber, ob ihnen gefällt, was sie potenziell tagtäglich für ein Unternehmen tun werden und können sich besser informiert für einen Beruf entscheiden. Das ist für die Mitarbeiterzufriedenheit wichtig, denn fallen die Aufgaben zu schwer, führt das zu Frustrationen; sind sie zu leicht, tritt Unterforderung ein.
Generell profitieren Unternehmen wie auch Kandidaten davon, wenn mehr Zeit für Arbeitsproben als Berufserkundung zur Verfügung steht. Denn je mehr berufliche Anforderungen im Auswahlprozess abgedeckt sind, desto geringer sind die Überraschungen – auf beiden Seiten.
Gut kombiniert ist gewonnen: Arbeitsproben sollten nicht für sich allein stehen
Mit Arbeitsproben wird laborartig das maximale, aktuelle Leistungsvermögen erhoben. Allerdings lässt dies allein noch keine Prognose über alle Aspekte der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Kandidaten zu. Lernfähigkeit, Motivation, Interesse und andere relevante Aspekte lassen sich ergänzend mit anderen diagnostischen Verfahren erheben. Daher sollten Arbeitsproben nicht für sich stehen, sondern immer um weitere Diagnoseverfahren ergänzt werden: zum Beispiel zur beruflichen Motivation und Integrität. Anforderungsrelevante Persönlichkeitsmerkmale und allgemeine sowie spezifische kognitive Fähigkeiten der Kandidaten ergänzen das Bild. Werden Arbeitsproben mit kognitiven Tests und berufsrelevanten Persönlichkeitsmerkmalen sowie strukturierten Einstellungsinterviews kombiniert, ist maximale Validität der Auswahlprozesse zu erwarten.
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