Persönlichkeitstests bei Jugendlichen – funktioniert das?
Warum Persönlichkeitsfaktoren altersunabhängig sind
Heutzutage sind Abgänger mit Real- oder Hauptschulabschluss meist nicht älter als 16 Jahre, wenn sie ihre Ausbildung beginnen und auch duale Studenten sind nach ihrem Abitur noch sehr jung, wenn sie ins Berufsleben eintreten. „Wie kann man beruflichen Erfolg bei Bewerbern langfristig voraussagen, wo die Kandidaten doch noch mitten in der Persönlichkeitsentwicklung stecken und in der Ausbildung noch so viel lernen?“ ist daher eine häufige Frage, die aus einem falschen Verständnis von Persönlichkeit entsteht. Wir räumen mit verbreitetem Irrglauben über Persönlichkeit auf und erläutern, warum sie schon bei jungen Bewerbern verlässlich messbar ist und eine wertvolle Methode der Personalauswahl darstellt.
Es gibt keine „zukünftige Persönlichkeit“
Eine verbreitete Meinung ist, dass man die Persönlichkeit jugendlicher Bewerber nicht verlässlich messen kann, da sie sich noch zu stark verändert. Damit einher geht die Erwartung, dass junge Bewerber während einer Ausbildung oder eines dualen Studiums „geformt“ werden: „Die entwickeln sich ja noch, wir prägen unsere jungen Mitarbeiter dann schon in unserem Sinne.“ Natürlich ist es die Kernidee von Berufsausbildungen, persönlichkeitsprägende Maßnahmen zu treffen, um positiv auf die Entwicklung der Jugendlichen einzuwirken. Aber gleichzeitig darf dieser Anspruch nicht als Beleg für die Annahme gelten, dass junge Bewerber keine vergleichsweise stabile Persönlichkeit mitbrächten: Dies ist aus psychologischer Sicht ein Trugschluss, der sich nicht nur in der Rückschau bei Charakterzügen von Kindern oder Jahre später auf Klassentreffen bestätigt.
Persönlichkeit ist nur begrenzt „formbar“
Die Psychologie definiert Persönlichkeit als zeitlich und situativ stabile Wesensmerkmale einer Person, die Einfluss auf ihr Verhalten haben. In der Eignungsdiagnostik ist es entsprechend unerlässlich, die persönlichen Voraussetzungen von Bewerbern mit den beruflichen Anforderungen abzugleichen.
Die Merkmale der Persönlichkeit besitzen – anders als gemeinhin angenommen – eine hohe Rangstabilität. Das bedeutet, dass ein gewissenhafter Mensch, der eine Ausbildung beginnt, mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch nach drei Jahren Ausbildung gewissenhafter sein wird als jener, der ungewissenhaft gestartet ist.
Andersherum heißt das nicht zwingend, dass ein wenig gewissenhafter Jugendlicher nicht lernen kann, ordentlicher zu sein oder pünktlich bei der Arbeit zu erscheinen – aber der gewissenhaftere Jugendliche lernt ebenso während seiner Ausbildung dazu und kann sich entsprechend noch positiver entwickeln. Die in einer Person angelegten Eigenschaften – zum Beispiel das Ausmaß der Gewissenhaftigkeit oder der Verträglichkeit eines Menschen – bleiben auch über die Zeit hinweg stabil, wie Langzeitstudien zeigen, die über mehrere Jahrzehnte angelegt sind. Entsprechend gleichen sich die Persönlichkeiten von Auszubildenden oder dualen Studenten auch nicht an jene der Vorgesetzten oder Ausbilder oder der Organisation an, wie in der Praxis häufig angenommen wird. Vielmehr werden alle Auszubildenden in eine gewisse Richtung sozialisiert, wobei die positive Änderung bei den Personen mit den höchsten Defiziten am meisten bemerkt wird. Dazu kommt noch, dass die investierte Zeit zur Persönlichkeitsänderung bei jenen mit geringer Ausprägung ungleich höher ausfällt als bei jenen, wo schon gute Anlagen vorhanden sind. Aus ökonomischer Sicht sollten folglich jene eingestellt werden, bei denen die Persönlichkeitsentwicklung auf möglichst fruchtbaren Boden fällt.
Psychologische Testverfahren führen zu verlässlichen Aussagen über die Persönlichkeit – auch bei jungen Menschen
Die psychologische Eignungsdiagnostik definiert fünf stabile Persönlichkeitseigenschaften (Dimensionen) einer Person: Emotionale Stabilität, Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit. Diese Eigenschaften werden in der Wissenschaft auch als Big-Five-Persönlichkeitsfaktoren bezeichnet.
Im Recruiting erheben berufsbezogene Persönlichkeitstests diejenigen Eigenschaften von Bewerbern, die für eine vakante Stelle relevant sind. Eine häufige Aufgabenform in diesen Tests besteht darin, dass Bewerber den Grad ihrer Zustimmung zu Aussagen zur Persönlichkeit angeben sollen. Dabei sollten Tests wenn möglich einen Bezug zum Berufskontext herstellen, um aussagekräftige Erfolgsprognosen zu gewährleisten. Das heißt, dass aus den gestellten Fragen und Testergebnissen Schlussfolgerungen auf die spätere Arbeitsleistung möglich werden. Eine typische zu bewertende Aussage in einem Persönlichkeitstest wäre zum Beispiel „Ich achte darauf, dass mein Arbeitsplatz stets aufgeräumt ist” – sie misst die Gewissenhaftigkeit der Bewerber.
Für potentielle Auszubildende ohne berufliche Erfahrung ist es natürlich schwierig, sich innerhalb eines Persönlichkeitstests in einen Berufskontext hineinzuversetzen und das eigene Verhalten darin zu reflektieren – denn die jungen Bewerber kennen diesen Berufskontext in der Regel wenn überhaupt nur aus kurzen Praktika. Deshalb existieren spezielle Testverfahren für das Recruiting von jungen Auszubildenden, die auf den Lebenskontext der jeweiligen Bewerbergruppe abgestimmt sind. Statt der Aussage „Für Gespräche mit schwierigen Kunden fühle ich mich zuständig“ würde die Aussage in einem Testverfahren für Ausbildungsanwärter zum Beispiel lauten: „Wenn es in meiner Klasse Probleme mit den Lehrern gibt, ergreife ich häufig das Wort”.
Die Kontextualisierung der Testverfahren in die Erfahrungswelt der Zielgruppe ist entscheidend – sowohl für die Akzeptanz seitens der Bewerber als auch für die Spezifität und Prognosestärke solcher Verfahren. Dann erheben psychologische Persönlichkeitstests valide Ergebnisse, die nicht nur den Ausbildungserfolg Ihrer Bewerber, sondern deren Arbeitsleistung als Mitarbeiter über die gesamte Betriebszugehörigkeit zuverlässig vorhersagen.
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